Prof. Dr. Christian Wetterauer im Interview «Es gibt eine schonende Behandlung von Prostatabeschwerden»

Bei einer Vergrösserung der Prostata denken viele Menschen sofort an eine Tumorerkrankung. Dabei gibt es auch eine gutartige Vergrösserung. Welche körperlichen Anzeichen deuten darauf hin?
Eine gutartige Vergrösserung der Prostata ist eine häufige Erkrankung bei älteren Männern. Sie ist nicht mit Krebs gleichzusetzen, kann jedoch Symptome verursachen, welche die Lebensqualität beeinträchtigen. Körperliche Anzeichen wie zum Beispiel ein schwacher Harnstrahl, verlängertes oder häufiges Wasserlassen, das Gefühl der unvollständigen Blasenentleerung oder auch plötzlicher Harndrang können auf eine Prostatavergrösserung hindeuten. Mit zunehmendem Alter kann die Prostata wachsen und die Harnröhre einengen. Das behindert den Harnfluss und verursacht die genannten Symptome.
Wann sollte man zum Arzt?
Bei oben genannten Problemen ist eine Vorstellung bei einem Urologen sicher sinnvoll. Auch bei Blut im Urin, Schmerzen oder Brennen beim Wasserlösen oder wiederholt auftretenden Harnwegsinfektionen ist eine Kontrolle angeraten. Wenn man plötzlich gar keinen Urin mehr ablassen kann, handelt es sich um einen Notfall, der sofortige medizinische Hilfe erfordert.
Generell ermöglicht in frühzeitiger Arztbesuch eine genaue Diagnose und verhindert, dass Komplikationen wie Harnwegsinfektionen, Blasensteine oder Nierenschäden auftreten. Besonders Männer ab 50 Jahren sollten zudem regelmässige Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen, um die Gesundheit der Prostata zu überprüfen.
Welche Therapien stehen zur Behandlung einer vergrösserten Prostata zur Verfügung?
Es gibt konservative, medikamentöse und operative Ansätze. Das bewährteste operative Verfahren ist die Resektion des Prostatagewebes durch die Harnröhre, kurz TUR-P genannt. Es gibt aber auch eine ganze Reihe an modernen schonenden Verfahren wie zum Beispiel die Wasserdampftherapie, iTind oder Aquabeam. Die Wahl der Behandlung hängt von der Schwere der Beschwerden, der Grösse der Prostata, dem Gesundheitszustand des Patienten und den persönlichen Präferenzen ab. Ich verfolge den Ansatz einer hoch individualisierten Therapie und versuche immer, gemeinsam mit dem Patienten die jeweils am besten passende Lösung zu finden.
Was ist das Besondere an minimalinvasiven Therapien?
Prinzipiell zeichnen sich minimalinvasive Verfahren durch geringere Risiken, kürzere Erholungszeiten und oft weniger Nebenwirkungen aus.
Gibt es eine Alternative zu den Standardtherapien? Falls ja, wie funktioniert diese und wie erfolgt der Eingriff?
Ja, iTind zum Beispiel ist eine moderne minimalinvasive Alternative zu den Standardtherapien Dieses Verfahren ist relativ neu und richtet sich an Männer mit moderaten Symptomen, die eine medikamentöse Therapie nicht vertragen oder invasive Operationen vermeiden möchten.
Bei der iTind Methode wird einer kleiner Drahtkäfig, ein sogenannter Stent, in die Prostata eingeführt, um die Harnröhre mechanisch zu erweitern. Es werden keinerlei Schnitte oder ähnliches vorgenommen. Der Eingriff dauert nur wenige Minuten und kann in lokaler Betäubung durchgeführt werden. Im Gegensatz zu anderen Verfahren wird kein Gewebe verletzt und es verbleibt keinerlei Fremdmaterial in der Prostata oder in der Harnröhre.
Was passiert nach dem iTind-Eingriff? Wann verbessern sich die Symptome?
Nach fünf bis sieben Tagen wird der Stent in lokaler Betäubung wieder entfernt. Die Verbesserung der Symptome nach dem iTind-Verfahren tritt in der Regel relativ schnell ein. Der genaue Zeitpunkt der Symptomverbesserung kann jedoch individuell variieren. Viele Patienten berichten bereits kurz nach der Entfernung über eine Verbesserung des Harnflusses und eine Erleichterung beim Wasserlassen. Die meisten Patienten erleben innert zwei bis vier Wochen eine deutliche Linderung der Symptome.
Inwiefern verbessert das iTind-Verfahren die Behandlung Ihrer Patienten?
Vor allem die unter der Einnahme von Medikamenten und nach klassischen Prostata-Operationen beobachteten Störungen oder auch ein Verlust des Samenergusses, sprich retrograde Ejakulation, oder auch Erektionsstörungen werden vermieden. Auch die Vermeidung einer invasiven Narkose ist ein grosser Vorteil. Das macht dieses Verfahren so elegant und einzigartig
Welche potenziellen Risiken und Nebenwirkungen gibt es?
Das iTind-Verfahren gilt als sicher und minimalinvasiv, birgt jedoch wie jede medizinische Behandlung gewisse Risiken und mögliche Komplikationen. Zumeist handelt es sich um vorübergehende Beschwerden nach der Implantation und der Explantation, wie Brennen beim Wasserlassen, erhöhter Harndrang, Blutbeimengungen im Urin oder leichte Schmerzen im Becken- und Dammbereich. Vereinzelt können auch Harnwegsinfektion oder ein Harnverhalt auftreten.
Wie lange hält der Effekt an? Gibt es hierzu Studien?
Da es sich um ein sehr neues Verfahren handelt, ist die Studienlage noch begrenzt, und es liegen noch keine Langzeitdaten vor. Nach zwölf Monaten berichteten etwa 75 Prozent der Patienten über eine signifikante Verbesserung ihrer Beschwerden – insbesondere Harnfluss und häufiges Wasserlassen – und der Lebensqualität. Nach vier Jahren besteht bei den meisten Patienten weiterhin anhaltende Verbesserungen, jedoch kann eine kleine Anzahl von Patienten eine erneute Verschlechterung der Symptome erleben.
Kann die Behandlung dann erneut beziehungsweise mehrmals durchgeführt werden?
Ja, eine erneute Behandlung ist möglich. Andere invasivere Verfahren werden durch iTind nicht beeinflusst und können bei Bedarf durchgeführt werden.
Kommen alle Patienten für diese Methode infrage?
Das iTind-Verfahren ist besonders geeignet für Männer mit moderaten bis mittelgradigen Symptomen, die eine minimalinvasive Behandlung bevorzugen, aber keine chirurgische Option wie die TUR-P in Erwägung ziehen möchten. Es ist ebenfalls eine gute Option für Patienten, die mit medikamentösen Behandlungen nicht zufrieden sind oder diese nicht vertragen. Am besten eignet sich das Verfahren für Männer mit einer moderaten Prostata, in der Regel unter 80 Gramm. Bei sehr grossen Prostatadrüsen könnte der Effekt von iTind weniger ausgeprägt sein.
Auch ältere Männer oder Patienten mit Vorerkrankungen, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Bluthochdruck, können von iTind profitieren, da das Verfahren keine Vollnarkose erfordert und die Risiken von Blutungen oder grossen Operationen verringert werden. Die schnelle Erholung nach der Behandlung macht iTind besonders attraktiv für Patienten, die eine schonende, schnell wirksame Lösung suchen.
Und für wen ist das Verfahren nicht die optimale Wahl?
Weniger geeignet ist diese Methode bei sehr grossen Prostatadrüsen über 80 Gramm. Bei Patienten mit sehr schweren Symptomen, die mit Harnverhalt oder anderen Komplikationen wie chronischer Harninkontinenz einhergehen, oder auch für Patienten, die maximale funktionelle Ergebnisse wünschen, ist eine invasivere Behandlung besser geeignet. Patienten mit erheblichen anatomischen Problemen wie einer verengten Harnröhre oder einem ausgeprägten Prostatawachstum in die Blase könnten für iTind weniger geeignet sein.
Was sind bislang Ihre Erfahrungen mit dem Prostatastent?
Zunächst ist es besonders wichtig, die Patienten umfassend hinsichtlich der passenden Therapieoptionen, der Durchführung und den zu erwartenden Ergebnissen zu beraten. Nur so kann man eine massgeschneiderte Behandlung anbieten, die den individuellen Anforderungen gerecht wird. Die Patienten müssen auch wissen, dass es keine Langzeiterfahrungen für die iTind Behandlung gibt und es sich formell noch um ein neues Verfahren handelt, welches jedoch bereits seit 2023 in den S2e-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Benignen Prostatasyndroms (BPS) als eine Behandlungsoption aufgeführt ist. Die kurz- und mittelfristigen Resultate sind aber sehr erfolgsversprechend.

Im Interview
Prof. Dr. Christian Wetterauer
Danube Private University, Krems, Österreich
linkedin.com/in/prof-dr-christian-wetterauer
Leitender Arzt
Klinik für Urologie
Universitätsspital Basel
Erstellt: 22.12.2024 07:00 Uhr
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