Trigeminusneuralgie «Rund 90 Prozent der Patienten sind nach dem Eingriff schmerzfrei»
Professor Fandino, wenn eine Patientin oder ein Patient über unangenehme Schmerzen im Gesicht berichtet, was kann die Ursache hierfür sein?
Hinter den Beschwerden kann eine sogenannte Trigeminusneuralgie stecken. Genauer gesagt handelt es sich bei dieser Form des Gesichtsschmerzes um einen äusserst schmerzhaften Reizungszustand des fünften Hirnnervs, des Nervus Trigeminus, der aus drei sensiblen Nervenästen besteht. Diese versorgen den Stirnbereich, den Oberkiefer und den Unterkiefer.
Was sind mögliche Ursachen für ein Trigeminusneuralgie?
Die Gesichtsschmerzen entstehen in 60 bis 90 Prozent der Fälle durch Erkrankung, Schädigung oder virale Infekte (Herpes Zoster), Reizung oder Kompression der Wurzel des Nervus Trigeminus durch ein arterielles Gefäss. Die Wahrscheinlichkeit, an einer Trigeminusneuralgie zu erkranken, steigt mit zunehmendem Alter. Andere wichtige Ursachen sind chronische Krankheiten des Nervensystems, wie zum Beispiel Multiple Sklerose. Wichtig: Davon abzugrenzen sind der atypische Gesichtsschmerz und andere Gesichtsschmerzen. Eine genaue Diagnostik ist daher elementar.
Gibt es bestimmte Trigger, welche die Schmerzen auslösen können?
Ja, die gibt es in der Tat. Die Schmerzen können durch Kauen, Zähneputzen, Gesichtsberührung oder einfach beim Essen ausgelöst werden. Die Schmerzen können auch spontan und mehrmals am Tag auftreten.
Was bedeutet die Krankheit für den Alltag der Betroffenen?
Ein in der Regel hoher Leidensdruck und eine verminderte Lebensqualität. Die möglichen psychischen Folgen sind nicht zu unterschätzen und können sich in sozialer Isolation, reaktiven Depressionen und Ängste äussern in schweren Fällen haben Betroffene sogar Suizidgedanken.
Sie erwähnten bereits, wie wichtig eine korrekte Diagnose ist. Wer stellt diese am besten?
Die Suche nach der möglichen Ursache für die Beschwerden gehört in die Hände des Hausarztes und des Neurologen. Eine Abklärung sollte dabei immer eine spezielle Bildgebung, sprich ein MRI, beinhalten.
Wie kann eine Trigeminusneuralgie behandelt werden?
Als erstes erfolgt immer die medikamentöse Behandlung, welche regelmässig und kontrolliert gesteigert werden sollte. Als minimalinvasive Therapieoptionen haben Infiltrationen und die Radiofrequenztherapie sich bereits seit vielen Jahren zur Behandlung chronischer Schmerzzustände etabliert. Sie stellen auch bei Trigeminusneuralgie ist eine sehr gute Option dar. Darüber hinaus ist die sogenannte Radiochirurgie, bei welcher der Nervus Trigeminus fokussiert oder gezielte bestrahlt wird, heutzutage auch eine Therapieoption.
Wann empfehlen Sie eine chirurgische Behandlung oder «mikrovaskuläre Dekompression »des Nervus Trigeminus?
Eine chirurgische Behandlung sollte hauptsächlich bei Verdacht auf Kompression des Nervs infrage kommen. Die erste mikrovaskuläre Dekompression oder «Operation nach Jannetta» wurde im Jahr 1966 zum ersten Mal beschrieben. Operiert wird minimalinvasiv durch eine kleine Schädelöffnung hinter dem Ohr. Blutgefässe, die pulsierend auf die Trigeminus-Wurzel drücken, werden während des Eingriffs unter dem Mikroskop verlagert. Mit einem kleinen Stück Kunststoff wird verhindert, dass diese Adern in ihre alte Lage zurückwandern. Die Hirnstammfunktion und Funktion des Nervs werden während der Operation kontinuierlich mittels Neuromonitoring beurteilt.
Wie sehen die Erfolgschancen aus? Und gibt es bestimmte Risiken, die mit dem Eingriff verbunden sind?
Es handelt sich um einen komplikationsarmen Eingriff: Die Komplikationsrate liegt unter einem Prozent – einen erfahrenen Neurochirurgen vorausgesetzt. Zudem sollte die Operation, wie in unseren Zentren, standardisiert und unter Neuromonitoring durchgeführt werden. Was den Erfolg der OP anbelangt, kann ich nur Gutes berichten. Heisst: Etwa 90 Prozent der Patienten können von dem Schmerzen schlagartig befreit werden und benötigen später keine Medikamente mehr.
Können Patienten nur bei Interesse für eine Operation bei Ihnen vorstellig werden?
Nein, denn ich bespreche mit ihnen oft auch die verschiedenen, vorhin bereits genannten minimalinvasiven Behandlungsoptionen. Ziel ist es, auch zu wissen, wo die Grenzen der medikamentösen Therapie liegen. Nutzen und Risiken aller Therapieoptionen müssen transparent und individuell dargelegt werden – um abhängig von Alter, Grundkrankheit und den Erwartungen des jeweiligen Patienten den optimalen Therapieentscheid für eine Verbesserung der Lebensqualität zu treffen.
Patient Story: «Mein Leben ist endlich wieder lebenswert»
Patientin Iris Manzke berichtet über ihren langen Leidensweg mit der Trigeminusneuralgie und den Eingriff, der ihr Leben veränderte.
Ich war in den Ferien am Meer, um mich zu erholen vom Alltagsstress, als ein fürchterlicher Schmerz, wie ein Blitz und pochend, durch meine rechte Gesichtshälfte ging. Ich wusste nicht, was das war und auch beim Essen war es schlimm. So kam ich ins Spital, aber auch dort konnte die Ursache für den Schmerz nicht festgestellt werden. Das Ganze liegt nun 16 Jahre zurück. Es begann eine lange Leidenszeit – und eine Arzt-Odyssee. Mein Zahnarzt sagte mir, dass es nicht an den Zähnen liegt und schickte mit ins Unispital nach Zürich zur Kiefer- und Gesichtschirurgie. Von dort wurde ich zum Neurologen geschickt, aber der konnte mir auch nicht helfen. Die Schmerzen wurden immer unerträglicher, sodass ich viele weitere Ärztinnen und Ärzte konsultierte. Aber auch dort wurde nur eine Vermutung ausgesprochen, dass der Trigeminusnerv die Ursache der Schmerzen sein könnte. So bekam ich viele Tabletten, Spritzen und Therapien, es half mir jedoch nicht. Die Schmerzen blieben und wurden sogar noch stärker, sodass es nicht mehr schön war zu leben. Zum Glück habe ich eine tolle Familie und Freunde, die mich unterstützten und mir Kraft gaben. Am Schluss konnte ich kaum noch reden oder essen, auch Berührungen verursachten einen heftigen Schmerz. Ich wusste: So kann es nicht weitergehen.
Zum Glück habe ich im Internet von Professor Dr. med. Javier Fandino und seiner chirurgischen Behandlung, durch die hinterher nahezu alle Betroffenen schmerzfrei sind. Über meine Hausärztin bekam ich ziemlich schnell einem Termin für eine Sprechstunde bei Professor Fandino. Ich hatte von Anfang an volles Vertrauen in ihn und in seine Behandlung. Er erklärte mir, was bei dieser Operation gemacht wird und machte auch auf die möglichen Risiken aufmerksam. Bei der sogenannten mikrovaskulären Dekompression gelangt der Neurochirurg über einen Zugang hinter dem Ohr in den Schädel zum Trigeminusnerv und zu der Stelle, an welcher der Nerv von einem Gefäss komprimiert wird. Es wird dann eine Art «Filzplättli» zwischen Nerv und Blutgefäss geschoben, damit der Nerv künftig nicht mehr unter Druck gerät. Endlich gab es eine Hoffnung für mich. Angst hatte ich keine, ich war nur froh über die Aussicht, endlich wieder schmerzfrei zu sein und das Leben nach so langer Zeit wieder geniessen zu können.
Die Operation verlief sehr gut und nach vier Tagen konnte ich wieder nach Hause. Seit der Operation habe ich keine Schmerzen mehr. Mittlerweile ist die Naht am Kopf auch gut verheilt. Mein Leben ist endlich wieder lebenswert. Ich bin sehr dankbar, dass ich Professor J. Fandino kennengelernt und mich in seine «magischen» Hände begeben habe.
Im Interview: Prof. Dr. med. Javier Fandino, Neurochirurgie FMH
Zur Person: Professor Javier Fandino ist in Cartagena, Kolumbien, als Auslandschweizer geboren. Nach abgeschlossenem Medizinstudium 1992 an den Universitäten Xaveriana (Kolumbien) und Brown (USA) arbeitete er für ein Jahr in der Kolumbianischen Liga gegen Epilepsie. Nach Abschluss seiner Doktorarbeit an der Universität Zürich, absolvierte er in den 1990er-Jahren die Weiterbildung zum Neurochirurgen am Universitätsspital Zürich und am Universitätsspital Bern. Es folgte ein zweijähriges Neurochirurgie-Fellowship in den USA an der University of Virginia und University of Cincinnati. Ab 2000 arbeitete er als Oberarzt am Universitätsspital Zürich, Universitätsspital Bern und Kantonspital Aarau. 2004 und 2005 folgten die Habilitationen an den Universitäten Zürich und Bern auf dem Gebiet der Zerebrovaskulären Forschung. Zwischen 2006 und 2011 war er in der Funktion als Leitender Arzt und Chefarzt -Stellvertreter an der Klinik für Neurochirurgie des Kantonspitals Aarau tätig. Nach Erhalt der Titularprofessur an der Universität Bern wurde Professor Fandino 2012 zum Chefarzt und Klinikdirektor der Klinik für Neurochirurgie des Kantonspitals Aarau gewählt. Seit 2021 praktiziert er in den Kliniken Hirslanden Zürich und Aarau und als Teil des Neurozentrums Aarau und neurochirurgischen Zentrums Zürich.
Erstellt: 10.09.2023 07:00 Uhr
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