Swiss Ablation Vorhofflimmern und Hybrid-Operationen
Der gesunde Herzrhythmus ist regelmässig, unbewusst, aber auch variabel und als Pulswelle, die durch den Körper geht, spürbar. Normalerweise geht der Takt regelmässig als elektrischer Impuls vom Sinusknoten im rechten Vorhof aus und passt sich der körperlichen, emotionalen und psychischen Belastung sehr rasch an. Das Herz befindet sich in dieser (normalen) Situation im Sinusrhythmus. Der Herzschlag wird durch einen elektrischen Impuls, der vom Taktgeber (Sinusknoten) ausgeht, rhythmisch gesteuert. Beim Vorhofflimmern (VHF) ist dieser Takt gestört und das Herz schlägt unregelmässig.
Was ist Vorhofflimmern?
Von einer Herzrhythmusstörung (Arrhythmie) wird gesprochen, wenn das Herz unregelmässig schlägt. Beim Vorhofflimmern (absolute Arrhythmie) schlägt das Herz unkoordiniert, wobei die kleinen Kammern, das heisst die Vorhöfe, nur noch unkontrolliert flimmern und keine mechanische Arbeit mehr leisten können. Im Elektrokardiogramm (EKG) ist diese unrhythmische Herzaktion leicht erkennbar. Vorhofflimmern ist eine medizinische Diagnose, die durch den Arzt erstellt wird. Zunehmend häufig können Smartwatches mit EKG-Funktion erste Indizien für eine Herzrhythmusstörung liefern. Vorhofflimmern findet sich in den Industrieländern bei etwa ein bis zwei der Bevölkerung. Innerhalb der nächsten 50 Jahre wird allerdings mit einer Verdoppelung der Prävalenz gerechnet. Nach den aktuellen Leitlinien wird zwischen paro-
xysmalem Vorhofflimmern, welches innerhalb von sieben Tagen von selbst endet, und persistierendem Vorhofflimmern unterschieden. Hier dauert die Episode mehr als sieben Tage. Dieses Vorhofflimmern kann entweder medikamentös oder durch eine elektrische Kardioversion beendet werden. Als lang anhaltend persistierend wird Vorhoflimmern bezeichnet, wenn es bereits ein Jahr oder länger bestanden hat, bevor eine Entscheidung zur rhythmuserhaltenden Therapie gefallen ist. Von einem permanenten Vorhofflimmern wird gesprochen, sobald die Herzrhythmusstörung von Arzt und Patient akzeptiert und keine rhythmuserhaltende Therapie mehr vorgenommen wird. Aus diversen Untersuchungen ist hervorgegangen, dass paroxysmales Vorhofflimmern eine progressive Erkrankung ist: Schätzungsweise 15 bis 30 Prozent der Patienten mit paroxysmalem VHF entwickeln über einen Zeitraum von ein bis drei Jahren persistierendes VHF.
Typische Auslöser und Symptome
Basis für die Entwicklung von VHF sind in den meisten Fällen eine Veränderung der muskulären Architektur, insbesondere des linken Vorhofs, die durch Alterungsprozesse begünstigt und durch Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzklappenveränderungen, koronare Herzerkrankung und Diabetes beschleunigt werden können. Ausgelöst wird Vorhofflimmern meist durch Extraschläge, die zu mehr als 98 Prozent aus versprengten Herzmuskelzellen in den Lungenvenen kommen. Der resultierende unregelmässige und oft auch schnelle Herzschlag erzeugt Symptome wie Herzstolpern, Herzrasen, Atemnot und Angst. Bei der Behandlung des Vorhofflimmerns geht es um drei Dinge: Verhinderung eines Schlaganfalls, Vermeidung von Langzeitschäden an Herz, Blutgefässen und Hirn sowie um die Verbesserung der Lebensqualität.
Behandlungsoptionen
Die Behandlung von Patienten mit Vorhofflimmern erfolgt entweder medikamentös oder invasiv über eine Katheterablation oder eine Operation. Vielen symptomatischen Patienten wird die elektrophysiologische Katheterablation als effektivste rhythmusstabilisierende Therapieoption empfohlen. Somit ist – je nach Situation – eine invasive Strategie eventuell schon vor der Einnahme von Rhythmus-Medikamenten möglich, wenn sie in einem erfahrenen Ablationszentrum angeboten wird. Generell zeigen alle Studien, dass die Katheterablation effektiver ist als die medikamentöse Rezidivprophylaxe in der rhythmusstabilisierenden Therapie von VHF.
Katheterablation mit 3D-Mapping
Der Eingriff wird unter lokaler Betäubung durchgeführt. Mit einem Katheter, der über die Leiste ins Herz vorgeschoben wird, kann ein «3D-Mapping», eine elektronische Landkarte, aus dem Herzinnern live (am schlagenden Herz) gewonnen werden. Mit diesem präzisen Bild der Herzrhythmusstörung kann im Herzinneren gezielt das verantwortliche Gewebe verödet werden, sodass die Herzrhythmusstörung terminiert wird. Dieser Eingriff wird «Lungenvenenisolation» genannt. Durch eine Verödung des Gewebes mit ganz gezielter Narbenbildung werden elektrische Impulse (Extraschläge aus den Lungenvenen) daran gehindert, in den Vorhof zu gelangen, und dort Vorhofflimmern zu «zünden». Dies kann durch Hitze oder Kälte erreicht werden. Die Hitze wird mit Radiofrequenz-Strom erreicht. Dabei wird das Gewebe durch die Denaturierung von Zellprotein verödet. Den gleichen Effekt erzielt man durch umsschriebene Vereisung des Gewebes. Mit dem entstehenden «Kältebrand» wird ebenfalls eine reizblockierende Narbe geschaffen. Der grosse Vorteil dieses Eingriffs ist, dass er unter lokaler Betäubung im Dämmerschlaf stattfindet (Narkose, wenn gewünscht). Dies bietet die Möglichkeit, die Herz-Strombahnen zu messen und Erregungsabläufe besser zu verstehen. Dabei wird das Herz über eine Punktion in der Leiste erreicht. Anschliessend wird die Ablationstherapie gestartet und am Ende das Resultat kontrolliert. In bestimmten Fällen, und um einen nachhaltigen Erfolg zu erzielen, können mehrere Eingriffe notwendig sein.
Chrirugische Ablation
Bei hartnäckigen Fällen können wir auf eine einzigartige Methode zurückgreifen. Die chirurgische Ablation ist eine minimalinvasive Operation. Sie wird durch Herzchirurgen unter Vollnarkose durchgeführt. Durch kleine Schnitte an der Brustwand werden Kamera und Instrumente eingeführt, um dann am Herzen dieselben Verödungen durchzuführen wie bei der Katheter-Ablation. Das heisst: Eine Lungenvenenisolation mit bipolarem Strom (Verödung) von aussen wird auf der Herzoberfläche durchgeführt. Die Ablationslinien, sprich das verödete Gewebe auf der Herzoberfläche, bilden die Narben, welche das Herz von den Fehlzündungen isoliert. Diese Verödungen entstehen durch Verabreichung von Radiofrequenz-Energie auf der Herzoberfläche mit den Instrumenten. Die Lungenvenenisolation ist die wichtigste Therapie bei VHF. Diese muss dauerhaft sein, um ein gutes Resultat zu gewährleisten. Zusätzlich entfernen die Chirurgen das linke Herzohr, welches den grossen Vorteil hat, dass nach dem Eingriff kein Blutverdünner mehr notwendig ist. Der Eingriff dauert in der Regel 90 Minuten und ist sehr erfolgreich. Nach dem Eingriff bleiben Patienten drei bis fünf Tage in der Klinik. Eine Rehabilitation ist nicht notwendig.
Der Hybridansatz
Die Zusammenarbeit von Elektrophysiologen (Kardiologen mit einem Schwerpunkt in der Behandlung von Herzrhythmusstörungen und der Rhythmuschirurgie, eine herzchirurgische Spezialisierung) offeriert eine signifikante Erweiterung des Behandlungsspektrums insbesondere für Patienten mit komplexem Vorhofflimmern. Diese neue und innovative Zusammenarbeit nennt man «HeartTeam» und basiert auf einem therapeutischen Hybridansatz. Auf Wikipedia findet man zum Wort Hybrid Folgendes: «aus Verschiedenartigem zusammengesetzt, von zweierlei Herkunft; gemischt; zwitterhaft». In der Tat, «hybrid» beinhaltet die Kombination verschiedener Techniken und Gedankenansätze. In der klinischen Situation von Patienten mit komplexem Formen von Vorhofflimmern kombiniert der Hybridgedanke das Beste aus Chirurgie und Kardiologie. Im «Herz & Rhythmus Zentrum» besteht dies aus bis zu zwei Eingriffen. Ob zuerst chirurgisch oder nicht-chirurgisch interveniert wird, hängt von der individuellen Situation ab. Oft sind die ursprünglich geplanten zweiten Eingriffe nicht mehr nötig. Der Chirurg führt eine Operation aus, welche sich streng an anatomischen Strukturen ausrichtet. Er versucht die störenden Impulse, welche das Vorhofflimmern im linken Vorhof auslösen, durch spezielle Blockaden zu isolieren. Dies geschieht mittels gezielter Verödung im linken Vorhof (Box mit Lungenvenenisolation). Zusätzlich kann durch das Abtrennen des Vorhofohrs in der gleichen Prozedur die wichtigste Quelle für Blutgerinnsel, die zum Schlaganfall führen können, effektiv und gefahrlos ausgeschaltet werden. Beide Massnahmen sind Grundbausteine der Vorhofflimmer-Therapie und führen in bis zu 90 Prozent zur Freiheit von Vorhofflimern nach einem Jahr. Der Kardiologe, das heisst der Elektrophysiologe insbesondere, wird in den seltenen Fällen, in denen eine Herzrhythmusstörung nach einem rhythmuschirurgischen Eingriff erneut auftritt, mit dem Katheter im Herzinneren die Situation neu analysieren (mit einem 3D-Mapping) und gegebenenfalls mit einer umschriebenen Energieabgabe «nachbehandeln».
Neueste Studien zeigen, dass die Kombination beider Verfahren die Ergebnisse bei der interventionellen Behandlung von Vorhofflimmern deutlich verbessert kann. Das Hybridverfahren ist besonders geeignet für Patienten mit bereits seit langem bestehenden Vorhofflimmern, deutlich vergrössertem linken Vorhof und mehrfacher erfolgloser Katheterbehandlung.
Fazit: zeitlich getrennt und nur bei Bedarf
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, einen Hybrid-Eingriff durchzuführen. Wir verfechten das sogenannte «Staged Hybrid»-Konzept. Das bedeutet, dass elektrophysiologische und rhythmuschirurgische Interventionen zeitlich getrennt und nur bei Bedarf durchgeführt werden. Das führt zu einer Vermeidung überflüssiger Ablationen und erhöht damit auch langfristig die Sicherheit für den Patienten, ohne die Effektivität dieses Konzepts zu vermindern. Im Mittelpunkt steht dabei, den Patienten so effektiv wie nötig und so schonend wie möglich zu behandeln.

Zu den Autoren
Prof. Dr. med. S. Salzberg, Herzchirurg (links)
Dr. med. T. Zerm, Kardiologie (rechts)
Erstellt: 30.06.2023 07:00 Uhr
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